Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur e.V.
Vortrag des Kreisarchäologen Dr. Jörg Lindenthal bei der AGGK
am Mittwoch, 14.09.2016
Thema: „Ergebnisse der neuesten archäologischen Forschungen in der
Wetterau.“
Turnusmäßig etwa alle zwei Jahre lädt die Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und
Kultur e.V. den Kreisarchäologen, Herrn Dr. Jörg Lindenthal zu einem Vortrag ein, in
welchem er über die Ergebnisse seiner archäologischen Tätigkeit der jüngsten
Vergangenheit im Wetteraukreis berichtet. Auch diesmal hatten sich viele interessierte
Zuhörer eingefunden. Der Vortrag trug den Untertitel:
„Steinzeitsiedlungen, Keltenhöfe, augusteische Marschlager, Römervillen“.
Herr Dr. Lindenthal wies darauf hin, dass das Gebiet der Wetterau eine der deutschen
Regionen mit den am dichtesten beieinanderliegenden Fundstellen an
Bodendenkmälern ist. Aus diesem Grund ist er ständig mit mehren Grabungen
gleichzeitig beschäftigt. Grundsätzlich wird die Archäologie nur an den Orten tätig, wo
Bodendenkmäler durch Bautätigkeiten unwiederbringlich zerstört würden. Das betrifft vor
allem Baugebiets-Erschließungen und Straßenbauarbeiten. Keine Probleme bereitet die
Koordination der Grabungsarbeiten mit dem Ablauf der Bautätigkeit. Nur selten steht
auch Ärger ins Haus, so wie z. B. beim Bau der Nordumgehung Karben,
Terminverzögerungen beim Bauablauf wurden fälschlicher Weise von der
Straßenbaubehörde in Presseartikeln mit dem Fund von Gräbern in Verbindung
gebracht. Völlig zu Unrecht, wie sich bei genauer Betrachtung herausstellte, war die
Ursache ein Andere. Die dortigen Gräberfelder aus der Merowingerzeit waren den
Archäologen seit langem bekannt und die notwendigen archäologischen Maßnahmen
konnten somit rechtzeitig eingeplant werden.
Bevor Grabungsarbeiten beginnen wird das betreffende Gebiet zunächst mit Hilfe von
Luftaufnahmen und geomagnetischen Prospektionen untersucht. Auf den Abbildungen
sind dann Unregelmäßigkeiten gut erkennbar, aus denen der erfahrene Archäologe
ersehen kann, ob wissenschaftlich interessante Bodendenkmäler vorhanden sein
könnten. Als Beispiel wurden diese Methoden am Baugebiet „Am Kalkofen“ in Karben
gezeigt. Hier wurden sogenannte Kegelstumpfgruben aus der Keltenzeit gefunden. Das
waren Vorratsgruben im gewachsenen Lößlehm-Boden für die Lagerung von Getreide
und anderen Vorräten. Ferner wurden historische Kalköfen zum Brennen von Kalk aus
dem späten Mittelalter entdeckt. Am nördlichen Ortsrand von Dorheim wurden ebenfalls
Kegelstumpfgruben aus einer ehem. Keltensiedlung gefunden, die vereinzelt sogar zu
Bestattungen verwendet wurden.
Ein umfangreiches Gebiet nehmen die Grabungen zur Erforschung römischer
Marschlager aus der augusteischen Zeit ein,. Diese entstanden hauptsächlich in den
Jahren von 12 v.Chr. bis 16 n.Chr. als Drusus später Tiberius - die Stiefsöhne des
Augustus und Germanicus - ihre Feldzüge ins Germanengebiet durchführten.
Bedeutende Stätten dieser Art liegen u.a. in Bad Nauheim-Rödgen mit einem großen
Versorgungslager (um 10 v. Chr). Bei aktuell laufenden Untersuchungen im
Neubaugebiet „Steinernes Kreuz“ im westlichen Friedberg wurde ein Römerlager
geortet. Etliche Backöfen, die in den Lehmboden eingebaut waren, wurden freigelegt. In
Friedberg veranstaltete die Grabungsgruppe einen „Tag der offenen Tür“, an dem in
einem den antiken Vorbildern nachgebauten Ofen nach altem Römerrezept Brot
gebacken wurde.
Ende des ersten, Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr. wurde unter der Regentschaft
der Kaiser Trajan und Domitian der Limes errichtet, der mit einer Länge von 47 km fast
die ganze fruchtbare Wetterau umschließt. Der Limes bestand in der Regel aus einem
ca. 2 m tiefen Graben, einem parallel dazu verlaufenden Wall, der eine ältere
Palisadenwand ersetzt. Heute findet man in der Feldflur nur noch den verfüllten Graben,
der sich im Anschnitt aufgrund der unterschiedlichen Bodenfärbungen darstellt. In dieser
Zeit wurden etwa 160-170 römische Bauernhöfe, bzw. Landgüter, „Villa Rustica“
genannt, in der nördlichen Wetterau errichtet. Sie wurden immer nach einem ähnlichen
Schema angelegt. In Niederwöllstadt und aktuell in einem Baugebiet in Gambach
wurden solche Bauernhöfe aufgrund von Fundamentresten ausgegraben. Die
Grabungsfläche in Gambach erstreckt sich über 1 ha. Es konnte festgestellt werden,
dass die dortige Villa einen Vorgängerbau aus Holz besaß. Bislang konnten im Bereich
dieser Bauernhöfe jedoch keine Reste aus direkt vorangehenden Perioden gefunden
werden, es sind somit Neugründungen. In Altenstadt-Höchst, wo derzeit ein neues
Baugebiet erschlossen wird, wurden Reste einer keltischen Siedlung festgestellt.
Herr Dr. Lindenthal untermauerte seine Ausführungen durch umfangreiches, sehr
anschauliches Bildmaterial. Der Vortrag war in allgemeinverständlicher Art gehalten und
brachte ihm zum Schluss viel Beifall ein. Ergänzt wurde der Vortrag durch die
Beantwortung einiger Zuhörerfragen. Der Vorsitzende der AGGK, Herr Dr. Bernard,
dankte dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Viele restaurierte Artefakte aus den Ausgrabungen
können im Wetterau-Museum in der Haagstraße 16 in Friedberg besichtigt werden.
Altenstadt, den 17.09.2016
August Trützler