Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur e.V.
NICLAUS GERHAERT –
Der Bildhauer des Mittelalters
Ausstellungsbesuch der Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur e.V.
am Samstag, 25. Februar 2012 im Liebieghaus in Frankfurt/Main.
Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms für das 1. Halbjahr 2012 traf sich 22 Mitglieder der
der Gesellschaft und Gäste um 10.15 Uhr vor dem
Liebieghaus zu einer Führung durch die
Ausstellung von Werken des Bildhauers Nicolas Gerhaert
und seines Umfeldes. Die Kunsthistorikerin
Frau Maria Reith-Deigert begrüßte die Teilnehmer und stellte
sich als Führerin durch
die Ausstellung vor. Ohne lange Vorrede betraten die
Kunstfreunde erwartungsvoll den ersten
Ausstellungsraum und erhielten zunächst einen kurzen
Abriss über die spärlichen Kenntnisse
vom Leben des Künstlers. Geburtsjahr und Geburtsort
bleiben im Dunkeln. Geboren wurde er
vermutlich um das Jahr 1430 im damals burgundischen
Leyden. Aus seiner angenommenen
Geburtsregion ist von ihm nichts überliefert. Nur sehr wenige
Dokumente aus den Jahren
1462 bis 1473 belegen die Existenz Gerhaerts. 1462
signierte und datierte er ein Grabmal,
welches er für den Erzbischof und Kurfürsten von Trier,
Jakob von Sierck anfertigte. Eine lebensgroße
fotographische Darstellung dieser Grabplatte wird in der
Ausstellung präsentiert.
Weiterhin ist belegt, dass er im Jahr 1464 für die Erstellung eines Prachtportals von der Stadt
Straßburg 234 Gulden erhielt. Von diesem Prachtportal existiert jedoch heute nichts mehr außer
zwei Kopf-Fragmenten und einer bildlichen Rekonstruktion des Portals. Sein künstlerisches
Ansehen muss damals schon erheblich gewesen sein, da sowohl ein bedeutender Erzbischof,
als auch eine große Stadt, ihm Aufträge erteilte. Bei der Formgebung seiner Skulpturen,
zumeist aus Sandstein gefertigt, beschritt er neue Wege bezüglich der Natürlichkeit der
Körperhaltung und der besonderen Ausdruckskraft seiner Figuren. Er beherrschte das Material
wie kein anderer zu seiner Zeit und prägte Generationen von Künstlern. Zu nennen sind
hier insbesondere die Künstler Veith-Stoß und Tilmann Riemenschneider, die er mit Sicherheit
stark beeinflusst hat. Lange Zeit kannte fast keiner mehr seinen Namen. Mit Hilfe internationaler
Expertenteams und neuesten Forschungsmethoden gelang es, bislang ungelöste Rätsel
um das Gesamtwerk des Künstlers zu entschlüsseln. Das Liebieghaus erweckt den Bildhauer
mit dieser Ausstellung zu neuem Leben. Insgesamt existieren fünf Werke, die ihm zweifelsfrei
zugeschrieben werden. Sein letztes und eines der spektakulärsten Werke ist das Grabmahl
Kaisers Friedrich des Dritten. Kaiser Friedrich III. holte Gerhaert 1467 von Strassburg zu sich
nach Wiener Neustadt, wo der Künstler das Grabmal in Marmor in Perfektion aus einem
Block schuf. In Wiener-Neustadt starb Gerhaert dann im Jahr 1473 und wurde auch dort
beigesetzt.
Auch als Holzbildhauer tat sich Gerhaert hervor. Ihm und seiner Werkstadt werden
unter anderem die Figuren des Nördlinger Hochaltars der dortigen St. Georgskirche
zugeschrieben.
Teildarstellungen der bildschönen Figur des Hl. Georg mit dem Drachen aus diesem
Hochaltar schmücken fast alle Plakate und Schriften der prächtigen Ausstellung.
Frau Reith-Deigert zog die Teilnehmer durch ihre präzisen, flüssig vorgetragenen, fundierten
Erklärungen in ihren Bann. Sie verstand es hervorragend die speziellen Gestaltungsmerkmale
von Gerhaerts Werken ihren Zuhörern nahe zu bringen. Die Zeit verging, trotz Überziehung
der vorgesehenen Führungszeit um eine knappe halbe Stunde, wie im Flug. Ein heftiger Applaus
der begeisterten Gruppe, verbunden mit Dankesworten des Vorsitzenden der Gesellschaft,
Herrn Dr. Bernard, beendete den lohnenswerten Museumsbesuch.
Altenstadt, 26.02.2012 – August Trützler